Die Liebe in groben Zügen

Liebessehnsucht, die Krankheit, die man selbst engen Freunden verschweigt, für die es keine mildernden Umstände gibt, auch kein aus dem Lateinischen abgeleitetes Wort, ein Krebs mit unsichtbaren Metastasen.
P. 429

Erste Küsse sind Geburten ohne fremde Hilfe, man bringt einander auf die Welt und weiss nicht einmal, auf welche.
P. 597

Begierde ist, wenn einem zu fehlen scheint, was man eigentlich hat, und man geben möchte, was man nur zu haben glaubt, wieder und wieder; man weiss nicht, warum es einen gibt, warum man lebt, aber dass man lebt, wird zur Gewissheit.
P. 574

Alle Redseligen sind Wiederkäuer, sie ernähren sich von alten Wunden und Zweifeln, in einer Art Schluckauf würgen sie die Wunden und Zweifel ein ums andere Mal herauf und verschlingen sie erneut.
P. 172

Die Prominenz hat das Heilige ersetzt, auch das Wahre. Wahrheit ist nur ein Gefühl von vielen, Heiligkeit ein Wahnsin unter anderen.
P. 630

Liebende glauben, dass sie den anderen verstehen, weil sie ihn lieben, und umso besser vertehen, je mehr sie ihn lieben; nur wer [...] dabei noch genug Verstand behält, gluabt auch, dass er dem anderen letzlich nie auf den Grund kommt und das Unbegreifliche an ihm kein Ausdruck von Tiefe sein muss.
P. 443

Liebende sind Zeitpiraten, auch wenn die Beute oft nur aus ein Paar Worten besteht [...] oder zwei zugesandten Fotos, [...] ein doppelter Hinweis: die Geliebte weit entfernt und doch nah.
P. 340

[...] es geht mir wie dem Erzähler, der sich in seine Figuren tastet und ihnen nur andichten kann, was er mit sonst wem erlebt hat oder von sich selber kennt, mit der Möglichkeit, dass es am Ende nicht passt, kein Ganzes ergibt, nur scheitert.
P. 216

Man entscheidet sich nicht für die Liebe, wie man sich für ein Kind entscheidet, die Entscheidung ist schon getroffen, bevor man sie zu treffen glaubt.
P. 144

Mit einer unlogischen, einer weichen Logik nimmt man den anderen, den man kaum kennt, als Ganzes wahr, sobald der Blick auf ihn ein liebender Blick ist, als Ganzes und zugleich Leeres, noch nicht Gefülltes, das einem mit weicher Logik als vollkommen erscheint.
P 115